Stellen Sie sich vor, es ist Vorweihnachtszeit und Sie möchten auf dem Ulmer Wochenmarkt herrlich rote, wohlschmeckende, schnittfeste Tomaten einkaufen ohne grünen Stielansatz. Sie äußern Ihren berechtigten Wunsch: „Bitte geben Sie mir gute Tomaten, die auch nach was schmecken, so wie früher zu meiner Jugendzeit.“ Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten für die nette Verkaufsperson. Sie lächelt vielleicht und fragt unverbindlich: „Möchten Sie ein oder zwei Kilo?“, oder Sie kommen an den einen Gärtner, der alles andere als der geborene Verkäufer ist und der antwortet wenig einfühlsam, aber mit fester lauter Stimme: „Liebe Frau ! (oder) werter Mann! , was Sia wellat send Auguscht-Tomata. Jetzt hend mir aber Dezember! Bis en da März nei kennat Se koine Sommer-Tomata kaufa. Em April fanget se an bessr zom wera ond ab Juli, en da Sommr nei, do kennat Sia die beschte Tomata vom ganza Johr kaufa." 

Wer jetzt als Nicht-Ulm-Geborener nicht alles verstanden hat – Tomaten schmecken tatsächlich im Sommer und auch bis in den Herbst hinein am besten.

Die Tomate war meiner Oma ihre Lieblingsfrucht in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Man hatte ihr prophezeit (der Oma, nicht der Tomate), sie würde von dem häufigen Verzehr von Tomaten Krebs bekommen. Sie war eine eigenwillige Frau. Man konnte ihr ihre Liebschaft zu der Tomate nicht abspenstig machen. Weil meine Oma nach dem 1. Weltkrieg noch keinen Kühlschrank hatte, haben ihr damals die Tomaten besonders gut geschmeckt, denn die Tomate sollte am besten bei 13 Grad C gelagert werden. Sie gehört also nie in gekühlte Truhen, Boxen oder Schränke. Und warum schmecken die Tomaten von Mai bis Oktober bei uns am besten? Sie kann in Deutschland und vor allem in der Region reif von der Pflanze geerntet werden. Die „Winter“-Tomaten von unseren südlichen Nachbarn werden halbreif geerntet. In vollreifem Zustand würden sie den über 4-tägigen Transport nicht gut überstehen. Also, genießen Sie in den Frühjahrs-, Sommer- und Herbstmonaten unsere reif geernteten Wochenmarkttomaten.

Aber auch beim übrigen Obst und Gemüse hat wieder einmal pünktlich zum Ferienbeginn, bei den hiesigen Gärtnern, die Haupternte begonnen. In Hülle und Fülle wird auf dem Wochenmarkt einheimisches Gemüse angeboten: außer Tomaten auch Paprika, Auberginen, Gurken in allen Variationen, Frühkraut, auch spitz, Busch- und Stangenbohnen, sämtliche Salate, die man sich nur vorstellen kann. Die Kartoffelanbauer aus der Region ernten seit 2 Monaten die Frühkartoffeln. Immer noch ist Beerenzeit. Allerdings müssen die angebotenen Beeren sofort verarbeitet werden. Unsere Großmütter und manchmal sogar noch unsere Mütter wussten, wenn Obsterntezeit ist, hat das Verarbeiten Vorrang. Wir hören oft auf dem Markt: Gibt es diesen oder jenen Artikel auch noch in 2 Wochen, wir müssen jetzt wegfahren, Onkel Egon hat Geburtstag oder Tante Erna kommt auf Besuch. Bedenken Sie, liebe Obstverarbeiter – Frischfrüchte warten nicht, bis wir Zeit für sie haben. Obst verlangt sofort und umgehend seine Verarbeitung. Und – wenn z. B. die Aprikosenbäume leer sind, ist halt die Ernte von frischen Aprikosen fertig.

Der aufmerksame Besucher findet ab der zweiten Augusthälfte die ersten badischen Frühäpfel auf dem Markt. Viele Marktkunden wundern sich, dass so manche alte Obstsorte nicht mehr angeboten wird. Aber bedenken Sie bitte, die alten Sorten JDG 155. Wort zum Monat 30. Juli 2023 schmeckten nicht nur gut, sondern sie hatten auch noch andere Eigenschaften: sie waren nach einer halben Woche mehlig, sie ließen sich kaum ordentlich transportieren, sie waren oft rissig oder schorfig.