Seit fast über 40 Jahren ist er auf dem Ulmer Wochenmarkt verschwunden. Die Jungen vermissen ihn nicht, weil sie ihn nicht mehr kennen, und die Älteren haben ihn vielleicht schon vergessen. Diesen bis in die Achtzigerjahre begehrten Rettich auf Ostern und Anfang Mai. Es gab ihn in rot, aber vor allem in weiß, diesen relativ großen Stückrettich mit angenehmer Schärfe. Für die Regional-Gärtnereien waren die Rettiche auf Ostern, die ersten Radieschen, der April-Kopfsalat und die April-Kohlrabi aus den Gewächshäusern die erste ordentliche Einnahmequelle im Jahr. Das war schon ein Wettbewerb unter den Gärtnern. Wer schafft es auf Ostern die begehrten Stückrettiche zu ernten. Die kleineren Exemplare wurden gebündelt. Ein Arbeiter beim „Magirus“ mußte Anfang der sechziger Jahre wohl eine halbe Stunde arbeiten, um so ein wertvolles Stück kaufen zu können.


Aber warum gibt es ihn nicht mehr, diesen deftigen Schönling?
Findige, geschäftstüchtige Groß-Gärtner aus Süddeutschland, Bayern, Badener und Schwaben, nahmen etwa Mitte der Sechziger-Jahre Kontakt mit Gemüseanbauern aus Nord-Italien auf. Zeigten den Kollegen aus Bella Italia Kulturkniffe und sorgten dafür, dass die im klimatisch günstigeren Norditalien kultivierten, begehrten Frühlingserzeugnisse nach der Ernte schnell nach Süddeutschland kamen. Auch wenn der Rettich oder der Kohlrabi (schwäb.!) nicht unbedingt zur italienischen Küche gehörten, nahmen die südlichen Produzenten diese Kulturen gerne auf und liefern seit über 45 Jahren ordentliche Qualitäten.


Die einheimischen Rettich- und Salatanbauer stemmten sich natürlich jahrelang gegen die günstigere Italienware. Aber die Ölkrise (1973) und höhere Arbeitskosten zwangen die süddeutschen kleineren Gärtnereien zum Umdenken. Manchmal tauchen Mitte Mai noch fränkisch/bayrische „Setz“-Rettiche  auf, die an den Frühlingsrettich von vor über 50 Jahren erinnern.


Rettich hin oder her – die Wochenmarktstände sind besonders im Mai vollgebeigt mit Frühlingsware. Selbstverständlich kamen Ende April die ersten Kohlrabi aus der Gegend der Insel Reichenau. Das deutsche Salatangebot reicht noch nicht ganz aus. Aber Woche für Woche werden größere einheimische Chargen angeboten. Natürlich zum größeren Teil aus Anbau unter Folie.